vok:laute

In der Musikwissenschaft ist die Laute ein Sammelbegriff für alle Musikinstrumente, die einen Korpus und Saiten besitzen. Eine Untergruppe davon sind Halslauten, bei denen die Saiten von einem Stiel getragen werden, der als Hals bezeichnet wird. Die Halslauten werden weiter unterschieden in Schalen-Halslauten, deren Resonanzkörper eine natürliche oder ausgeschnitzte Schale ist, und Kasten-Halslauten, bei denen der Resonanzkörper aus einem Kasten mit Zargen besteht. Hierzu zählen alle Arten von Gitarren, aber auch Geigen. 1) Eine Ukulele ist demnach auch eine Kasten-Halslaute. Der gemeinsame Ursprung all dieser Saiteninstrumente findet sich noch in der englischen und französischen Berufsbezeichnung luthier, was wörtlich „Lautenmacher“ bedeutet.

Frühgeschichte

Mesopotamien und Ägypten

In Königsgräbern im sumerischen Ur finden sich Harfen aus der Zeit ca. 2500 v. Chr. als älteste Beispiele technisch perfekter Saiteninstrumente. In Uruk wurde eine Tontafel mit der ältesten Abbildung einer Laute gefunden (ca. 2400 v. Chr.).2) Die sumerische Langhals-Laute war flach, mandel- oder birnenförmig, besaß ein bis zwei Saiten, keine Stimmwirbel und wurde mit einem Plektrum gespielt.

Als die Hyksos ca. 1700 v. Chr. Ägypten eroberten, brachten sie aus Mesopotamien die bis zu 120 cm lange dreisaitige Langhals-Laute mit. Sie blieb dort auch nach der Befreiung des Landes. Es gab auch kleinere Formen der Laute, manche besaßen bereits eine Taille. Sie hatten 4 bis 8 Schallöcher. Die Saiten wurden am Ende des Stiels in einem Saitenhalter fixiert. 3) Im 1. Jt. v. Chr. entstanden in Ägypten auch Kurzhals-Lauten. Allerdings waren diese für den Gebrauch der Unterschichten und Kinder bestimmt:

Man sollte erkennen, daß diese „Piccolo“-Laute ein Instrument der unteren Klassen, Bettler, Jongleure war oder von Kindern gespielt wurde.4)

Barbat und Oud

Indien, Persien, Zentralasien, Arabien

Ähnliche Typen verbreiten sich zur selben Zeit in Indien, Persien und Zentralasien. Doch in Zentralasien erschienen ca. 500 v. Chr. zum ersten Mal Stimmwirbel. Von dort wanderten diese Lautenformen bis nach China. Zur Zeit der Sassaniden (224–651 n. Chr.) entstanden in Persien Kurzhals-Lauten mit Stimmwirbeln und gewinkeltem Hals (dreisaitig Mizahr genannt, viersaitig Barbat). Daraus entwickelten die Araber anschließend ihre Oud (= „Holz“) genannte Laute. Sie wanderte nach China (dort unter dem Namen Pipa) und Japan (Biwa). Die christlichen Kopten entwickelten im 4. bis 8. Jh. in Ägypten eine Laute, die prinzipiell eine Gitarre war. Sie wurde nach der arabischen Eroberung Ägyptens zusammen mit Oud und dem Rebab (etwas kleiner als Oud und mit einem Bogen gespielt) nach Afrika und Westeuropa gebracht.5)

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Nach: Musikinstrumentenmuseum Hamamatsu, Japan

Mittelalter

Maurische und lateinische Gitarre

Nach der arabischen Eroberung Spaniens im 8. Jh. finden dort diese Musikinstrumente auch Eingang in westliche Musik. Es existieren zahlreiche Beschreibungen von Lauten am karolingischen Hof, die fast unverändert der Oud entsprechen. Sie haben kein oder aber mehrere Schallöcher. Doch in den Illustrationen der Candigas de Santa Maria (Marienlieder, 1257–1275) erscheinen neben der großen sassanidischen Laute auch die maurische und die lateinische Gitarre (quitarra). Die maurische Gitarre besitzt acht Saiten, einen Korpus in Form einer halben Mandel und keine Bünde. Die lateinische Gitarre hat einen „badewannenförmigen“ Kasten mit Taille, vier Saiten und Bünde. Beide haben ein einziges Schalloch in der Mitte des Korpus. Aus diesen Gitarren entstand die Vihuela (italienisch: Viola). Sie wurde entweder mit dem Plektrum gezupft oder mit dem Bogen gespielt. Das Wort Gitarre selbst entstammt jedoch dem Griechischen kithara, denn auch von der Weltmacht Byzanz aus wurden die neuen Instrumente nach Europa vermittelt. Zudem holte Kaiser Friedrich II. im 12. Jh. arabische Musiker an seinen Hof in Sizilien, und auch von dort verbreiteten sich ihre Instrumente.

Von nun an trennen sich die Wege von Laute und Gitarre.

Die Laute besitzt ursprünglich nur vier Bünde, ab dem 13. Jh. sieben, ab dem 17. Jh. zehn und ab dem 18. Jh. zwölf. Ihr Korpus ist halbbirnenförmig. Die Decke war zunächst mandel-, später ei- und zuletzt birnenförmig. Der Steg saß zunächst weit unten auf der Decke und wanderte später immer weiter nach oben. Daraus entstanden die Mandoren und schließlich die Mandolinen. Die aus der lateinischen Gitarre entwickelte Gitarre hatte entweder vier Saiten oder vier Doppelchöre (die gleichgestimmt waren). Die häufigste Stimmung im 13. und 14. Jh. in Spanien war G-c-e-a oder A-c-e-a oder A-d-fis-b für große und d-f-a-d' oder f-bb-d'-g oder g-c'-e'-a' für kleine Instrumente.6) Letzteres entspricht der heutigen Ukulelen-Stimmung.

Renaissance und Barock

Suche nach der perfekten Gitarrenform

Die Gitarre blieb im Gegensatz zu Streichinstrumenten und Lauten konstruktionstechnisch eine Herausforderung, für die unterschiedliche Lösungen versucht wurden:

Während zu dieser Zeit die endgültigen Formen und Standards im Geigenbau erreicht wurden und sich die wichtigsten Lautentypen stabilisiert hatten, gab es große Meinungsunterschiede bezüglich des Gitarrenbaus. Es wurde notwendig, den Hals erheblich zu verlängern, um den Ansprüchen professioneller Musiker gerecht zu werden. Dies führte wiederum dazu, dass der Steg bewegt wurde, was entsprechende Änderungen in der Innenkonstruktion des Korpus erforderte, die nie vollständig gemeistert wurde. Erst Ende des 18. Jahrhunderts, als die Position des Oktavbunds am Rand des Korpus endgültig festgelegt wurde, konnten Schritte unternommen werden, um eine vollständige Lösung für die akustischen Probleme des Gitarrenbaus zu finden. Eine perfekte endgültig Lösung, die den mathematischen Gesetzen der beteiligten physikalischen Prinzipien entspricht, wurde jedoch noch nicht erreicht …7)

In Deutschland dominierte im 16. Jh. die Quinterne (ital. chiterna, engl. gittern) mit vier Chören und einem der Laute entlehnten Kopf als kostengünstiges Instrument für Unterhaltungskünstler und privates Musizieren.

In Italien waren v.a. im 17. und 18. Jh. die Barock-Gitarren viola napoletana und chitarra battente vorherrschend, die vier oder fünf Saiten hatten und einen 8-förmigen Korpus mit nur schwach ausgeprägter Taille besaßen.

Auch in England und Frankreich wurden ab 18. Jh. die Chöre durch einzelne Saiten abgelöst. Eine sechste Saiten kam hinzu, als Standard-Stimmung verbreitete sich E-A-d-g-b-e'. Am Hof von Weimar wurde 1790 eine italienische fünfsaitige Gitarre zu einer sechssaitigen umgebaut, verbreitete sich in ganz Deutschland und verdrängte die Quinterne. Sie setzte sich auch in Frankreich als guitarre allemande durch.

Als Anfang des 18. Jhs. das Haus Hannover den englischen Thron übernahmen, wanderte auch diese Gitarre mit, die guittar genannt wurde und später als Englische Gitarre bekannt wurde. Sie hatte anders als die Barockgitarre Stahlsaiten und war sehr einfach gestimmt, weshalb sie häufig in Terzparallelen gespielt wurde. Da sie vorwiegend als Begleitinstrument genutzt wurde, setzte man Kapodaster ein, um die Stimmung ändern zu können.

Britische Kaufleute brachten die Englische Gitarre nach Portugal und auch aufs portugiesische Madeira. In Portugal ist sie seither als Portugiesische Gitarre verbreitet, die heute im Fado benutzt wird.8)

Iberische Gitarren

Die 8-Form

In Spanien und Portugal sowie deren Kolonien entwickelte sich die 8-förmige Gitarre mit ausgeprägter Taille, die das endgültige Bild der Gitarre prägen sollte. Dazu gehören:

  1. Sopran-Gitarren (span. quitarillo, port. machete de braco), 49–51 cm lang, mit vier Saiten (in Südamerika als quitarillo auch fünf).
  2. Alt-Gitarren (span. guitarro, lateinamerik. bordonuda) mit vier bis fünf Saiten und eigentlich nur fünf Bünden. Zu diesen gehört die Ukulele.9)
  3. Tenor-Gitarren (Terz-, Quart- und Quint-Gitarren). Sie haben häufig eine sechste Saite.
  4. Baß-Gitarren (im übrigen Europa als Prim-Gitarren bezeichnet) als heutiger Standard der Konzert-Gitarre mit sechs Saiten.

Die klassische Gitarre

Während der Klassik wurde die Gitarre wie die Mandoline überwiegend als Begleitinstrument betrachtet. In der Romantik verhalfen ihr Virtuosen wie Sor, Fernando und Agudao, Dionisio durch ihre anspruchsvollen Kompositionen, meisterlichen konzertanten Aufführungen und überzeugenden theoretischen Betrachtungen zu neuem Ansehen als selbständiges und seriöses Instrument. In den 1830er Jahren entstanden die bis heute gelehrten Konventionen von der „richtigen“ Haltung der Konzert-Gitarre und dem Einsatz der Hände und Finger.

Bilder

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Short-neck lute / Kurshals-Laute
Hadda (1st–2nd century B.C. / 1.-2. Jh. v. Chr.)
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Cytharas / Kithara
Beatus of San Miguel de Escalada (ca. 960)
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Lutes / Lauten
Cantigas de Santa Maria (ca. 1280)
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Latin and Moorish Lutes / Lateinische und maurische Lauten
Cantigas de Santa Maria (ca. 1280)
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Gitterns / Quinternen
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Gittern / Quinterne
Juan Oliver: Pamplona (14th c./14. Jh.)
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Citole
Robert De Lisle: Psalter (ca. 1310)
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English guitar / Englische Gitarre (18th c./18. Jh.)
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Portuguese guitar / Portugiesische Gitarre (18th c./18. Jh.)
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Italian baroque guitars / Italienische Barock-Gitarren
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Portuguese cavaquinho / Portugiesisches Cavaquinho
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Fernando Sor: Haltung der Gitarre / Position of the Guitar (1830)
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Jean Antoine Meissonnier: Méthode de guitare ou lyre: divisée en deux parties. Paris, ca. 1830
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Pablo Picasso: Girl with a Mandolin (Fanny Tellier) (1910), Museum of Modern Art, New York

Literatur

  • Erich M. von Hornbostel, Curt Sachs: „Systematik der Musikinstrumente. Ein Versuch“. In: Zeitschrift für Ethnologie 46, 1914 (4–5): 553–90
  • Franz Jahnel: Die Gitarre und ihr Bau: Technologie von Gitarre, Laute, Mandoline, Sister, Tanbur u. Saite. Verlag Das Musikinstrument 1963 (engl.: Manual of Guitar Technology: The History and Technology of Plucked String Instruments. Bold Strummer, Westport 2000).
  • Irving, M.: Colonial Counterpoint: Music in Early Modern Manila. Oxford: Oxford University Press 2010
  • Jaynes, E. T.: „Origins of Musical Instruments.“ In: The Physical Basis of Music and its Implications for Musical Performance. Washington University 1996

2)
Jahnel 2000: 17
3)
Jahnel 2000: 17–19
4)
Jahnel 2000: 20
5)
Jahnel 2000: 20–21
6)
Jahnel 2000: 23–24
7)
Jahnel 2000: 33
8)
Nuno José dos Santos Anaia Cristo: The Portuguese Guitar: History and Transformation of an Instrument Associated with Fado. MA-Thesis. Toronto: York University, Graduate Program in Music, 2014, S. 16, Fn. 13
9)
„Ursprünglich von Seefahrern auf den Sandwich-Inseln eingeführt, kehrte sie in diesem Jahrhundert in verbesserter Form als viersaitige Ukulele zurück und fand ihren Platz in Jazz-Bands in den Vereinigten Staaten und in Europa. Sie wird jetzt in drei Größen hergestellt: Erste Ukulele a'–d–f'#–b' mit 34 cm Saitenlänge; zweite Ukulele gestimmt d–g–bb–e mit 38 cm Saitenlänge; Bariton-Ukulele gestimmt a–d–f'#–b, mit 48,5 cm Saitenlänge. Die Kopfplatte ist deutlich trapezförmig und folgt den Prototypen Hawaiis und Westindiens.“ Jahnel 2000: 33