vok:blue_note

Als Blue Note wird eine Note in einer Melodie bezeichnet, die außerhalb der üblichen Tonleiter liegt und der Melodie einen bluesähnlichen Charakter verleiht. Blue Notes treten häufig in Jazz-, Folkmusik-Musik und den meisten in Amerika entstandenen Musikrichtungen auf. Ihr Ursprung liegt in afrikanischer pentatonischer Musik.

Die afrikanische Musik kennt, anders als die europäische, keine Aufteilung in Ganz- und Halbtöne, sondern verwendet sieben ungefähr gleich große Stufen, die etwas kleiner sind als ein Ganzton. Die schwarzen Musiker in den USA versuchten, diese Tonleiter auf europäischen Instrumenten zu verwirklichen, indem sie auf dem Klavier sowohl die kleine als auch die große Terz gleichzeitig anschlugen oder auf der Gitarre die Saiten während des Spielens so dehnten, dass der angeschlagene Ton zwischen die kleine und große Terz gezogen wurde. Dieser Ton, der in den Ohren weißer Musiker wie ein „Seufzermotiv“ klingt – den die Sänger auch mit ihrer Stimme intonieren –, wird als Blue Note bezeichnet. Der liminoide Charakter der Blue Note ist offensichtlich, liegt dieser Ton doch genau zwischen zwei in der abendländischen Tradition gültigen Tönen. Das Ziehen der Saiten (bei den charakteristischerweise auch die Veränderung der Tonhöhe zu hören ist) gibt der Blue Note zusätzlich etwas unbestimmt ist: sie pendelt und schwingt zwischen den eigentlichen Tönen hin und her.1)

Blue Notes sind für den an westliche Harmonie gewohnten Hörer „niedriger als erwartet“, und zwar zwischen einer viertel und einer halben Tonstufe. Für die Bildung von Akkorden können sie deshalb nicht herangezogen werden, wie der Blues-Musiker Big Bill Broonzy (1903–1958) festhielt:

Wenn mein Song für mich gut klingt und damit ich den alten Blues, den ich in Mississippi gelernt habe, wirklich singen kann, muß ich zu meinem Sound zurückkehren und nicht zu den richtigen Akkorden, wie es mir die Musiker sagen. Sie funktionieren einfach nicht mit dem echten Blues … der Blues kam nicht aus einem Buch heraus, doch die echten Akkorde haben es getan …2)

Als Zusatztöne in eine Dur-Tonleiter integriert, können Blue Notes ungefähr als kleine Terz, verminderte Quinte und kleine Septime zum Grundton verstanden werden. Für die Spielpraxis vereinfacht wird die Blues-Tonleiter allerdings durch eine pentatonische Moll-Tonleiter mit hinzugefügter verminderter Quinte erzeugt. Dadurch entsteht eine gewollte Unklarheit im Geschlecht der Melodie, die „aus einem nicht-schwarzen Blickwinkel“3) als schwermütig interpretiert wird; tatsächlich ist der Blues jedoch originär „eine von Schwermut freie Klage“.4)

Auf der Ukulele können Blue Notes durch Saitenziehen oder Schleifer (Slide) zu einer „normalen“ (diatonischen) Note hin entwickelt werden.

Videos

Michael B. Lynch: Blues Scale Improvisation (2010)


1)
Ruprecht Mattig: Rock und Pop als Ritual. Über das Erwachsenwerden in der Mediengesellschaft. trankscript-Verlag 2015, S. 98–98
2)
Zit. in Jürgen Hunkemöller: „Blues“. In: Hans Heinrich Eggebrecht (Hg.): Terminologie der Musik im 20. Jahrhundert. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1995, S. 92
3)
Ebd. S. 90
4)
Ebd. S. 89