vok:kammerton

LEXIS


Kammerton
Normstimmton

concert pitch
Chamber pitch
Standard tuning pitch

Definition

Kammerton und Normstimmton

Ursprünglich unterschied man beim Stimmen der Instrumente zwischen Chorton und Kammerton. Der Chorton war für den Gebrauch in Kirchen gedacht; der Kammerton wurde eingeführt, weil man in kleineren Räumen – „Kammern“ – für die dort dominierenden Streich- und Holzblasinstrumente „einen schönern und männlichern Ton1) haben wollte. Der Kammerton lag deshalb einen ganzen Ton unter dem Chorton.

Allerdings gab es keinen Konsens, wie hoch denn diese Töne liegen sollten. Es gab „so vielerley Stimmungen … als Städte von einiger Bedeutung in Europa“.2) Am Wiener Hoftheater erklang die Stimmgabel 1827 um einen halben Ton höher als in Leipzig, höher auch als in Paris und ungefähr so hoch wie in Petersburg.

Meßvergleiche zeigten auch, daß im 18. Jh. eine Tendenz zur Erhöhung dieser Töne herrschte. Diese Messungen wurden überhaupt erst möglich, nachdem Chladni am Ende des 18. Jhs. bahnbrechende Forschungen zur Schwingung in der Akustik durchgeführt hatte. „Die Akustik“ hieß dann auch sein preisgekröntes Werk von 1798. Chladni schlug vor, das große C bei 128 Schwingungen in der Sekunde anzusetzen, wie er es in Wittenberg gemessen hatte (und wie es damals auch in Paris üblich war).3) Das hätte 432 Hertz für das A entsprochen.

1816 schlug allerdings Scheibler vor, vom A mit 440 Hertz auszugehen. Die Pariser Akademie wählte 1858 jedoch 435 Hertz, ebenso die Stimmtonkonferenz in Wien 1885.

Über die Konsequenz eines höheren Kammertons für die verschiedenen Instrumente (ganz abgesehen von den Sängern, für die dies natürlich dramatische Folgen hatte) wurde damals auch diskutiert. Für Saiteninstrumente wurde z.B. die Ansicht vertreten, Amati, Stradivari u.a. hätten ihre Instrumente für tiefere Kammertöne konstruiert und höhere Stimmungen würden entweder zu einer stärkeren Spannung und damit größeren Gefährdung der Instrumente führen oder zu schwächerer Besaitung und damit schlechterem Klang.

Trotzdem entschied 1939 die ISA, sich an Scheiblers Vorschlag zu halten, und bestimmte das A mit 440 Hertz zum internationalen Normstimmton oder Kammerton.

Die meisten Orchester halten sich heute an 440 Hz als Kammerton. Renaissance- und Barockmusik klangen also zu ihrer Zeit deutlich tiefer als in heutigen Aufführungen. Allerdings gilt dies nicht für Kirchenmusik, denn diese richtete sich ja nach dem höheren Chorton.


1)
Heinrich Christoph Koch: Musikalisches Lexikon: welches die theoretische und praktische Tonkunst, encyclopädisch bearbeitet, alle alten und neuen Kunstwörter erklärt, und die alten und neuen Instrumente beschrieben, enthält. Bd. 1, Offenbach 1802, S. 328
2)
Raphael Georg Kiesewetter: „Über den Umfang der Singstimmen in den Werken der alten Meister.“ In: Allgemeine Musikalische Zeitung Nr. 43, 27.5.1820, S. 338.
3)
Ernst Florens Friedrich Chladni: Die Akustik. Leipzig 1802, S. 34.