Tempo
Konzept
Tempo bezeichnet den Grad der Zeit, in der ein Musikstück gespielt werden soll. Sein Verständnis ist unverzichtbar, weil, wie der Universalgelehrte Athanasius Kircher schon 1650 feststellte, „das ganze Geheimnis der Musik im genauen, aber auch unterschiedlichen Ablauf von Zeit besteht.“1) Auch Mozart nannte das Tempo „das Notwendigste und Härteste und die Hauptsache in der Musik“.2) Das Tempo bei der Wiedergabe hat starke Auswirkungen auf die Wirkung beim Hörer, denn
Geschwindigkeit … ist ein Kriterium des emotionalen Gehalts von Musik.3)
Nach wissenschaftlichen Untersuchungen erwarten die Hörer, daß dissonante und Moll-tonale Musik schneller gespielt wird als Musik in Dur, weil sie die harmonische Auflösung erleben wollen.4)
Historische Entwicklung
In der alten Musik ergab sich die Geschwindigkeit, in welcher ein Musikstück gespielt werden sollte, im wesentlichen nach Erfahrung und Gefühl. Der Musiker suchte selbständig nach dem tempo giusto (dem „rechten Tempo“). Das „mittlere Tempo“ „normaler“ Musik mußte deshalb gar nicht eigens notiert werden; es ergab sich aus dem Notenbild.5) Ungerade Taktarten, die häufig aus der Tanzmusik stammten, wurden grundsätzlich schneller gespielt als gerade. Die allseits bekannte Geschwindigkeit bestimmter Genres diente als ungefähre Tempoangabe (z.B. „tempo di minuetto“ = „im Menuett-Tempo“, „tempo di marcia“ = „im Marsch-Tempo“). Die Sarabande wurde so als langsam und das Menuett als schnell verstanden. Wollte man andere Tempi, stellte man ab dem 17. Jh. dem Stück italienische Tempowörter voran. Ihr Gebrauch war völlig uneinheitlich.
Noch bis zur Klassik war es auch üblich, das Tempo einer Taktart an den Bewegungsgrad, d.h. an die schnellsten darin vorkommenden Notenwerte anzupassen; so wurde z.B. ein Stück im 6/8-Takt langsamer gespielt, wenn darin Sechszehntel vorkamen. Tempo- und Taktangaben waren damals also keine feststehenden Dirigierangaben.6)
Ab dem 18. Jh. begannen französische Musiker Pendel einzusetzen, um die Geschwindigkeit von Tanzmusik zu regulieren. Allerdings erscheinen ihre Angaben nach heutigen Maßstäben durchweg zu schnell.7) Noch im späten 18. Jh. herrschten unterschiedliche Auffassungen über die Bedeutungen der Tempowörter. Der englische Komponist William Crotch wollte sie 1800 standardisieren, aber seine eigenen Messungen mit Hilfe eines Pendels ergaben zahlreiche auffällige Inkonsistenzen, welche die großen Unterschiede in der damaligen Aufführungspraxis reflektieren:
- grave (69–116)
- largo (60–119)
- larghetto (94–153)
- adagio (64–125)
- lento (69–153)
- andante (72–153)
- andantino (66–88)
- allegretto (88–108)
- allegro (91–153)
- vivace (88–168)
- alla breve (82–100)
- presto (82–108)
- prestissimo (77–178).
Freilich zeigen Aufzeichnungen aus der ersten Hälfte des 19. Jhs., daß damals langsame Passagen schneller und schnellere Passagen langsamer als heute üblich aufgeführt wurden. Damals hörte man auch damit auf, das Tempo einer Taktangabe am Charakter des Stückes zu bestimmen.
Anfang des 19. Jhs. wurde das Metronom erfunden, damit „ein Stück genau in der Takt-Bewegung vorgetragen werde, wie der Componist sie sich dachte“.8) Seit der Mitte des 19. Jhs. machten etliche Komponisten schließlich metronomische Angaben für die Tempi in ihren Werken. Wechselt in einem mehrteiligen Stück die Taktart, bleibt seither die Geschwindigkeit des einzelnen Schlages unverändert.
Tempo und Ausdruck
Die Tempoangaben dürfen nicht unabhängig vom Geist des Stückes betrachtet werden. Insbesondere für Solo-Vorträge gilt, wie Dionisio Aguado festgestellt hat, daß dem Vortragende die Freiheit und Verantwortung für den angemessenen Ausdruck obliegt:
Wenn man alleine spielt, erlaubt der Ausdruck in bestimmten kurzen Passagen eine leichte Änderung des Taktes, sei es durch Beschleunigung, sei es durch Verzögerung; in diesem Fall scheint es, jedenfalls für einen Moment, zu fehlen, nur zum ihm danach mit so viel Exaktheit wie zuvor zu folgen.9)
Tempowörter
AllgemeinTempowörter
Im allgemeinen gelten folgende Werte als charakteristisch für die Regulierung des Tempos:
Tempo | Metronom |
Langsam | |
---|---|
Largo (Lento) | 40–60 |
Larghetto | 60–66 |
Adagio | 66–76 |
Mäßig | |
Andante | 76–108 |
Moderato | 108–120 |
Schnell | |
Allegro | 120–168 |
Presto | 168–200 |
Prestissimo | 200–208 |
Allerdings handelt es sich hierbei nur um Orientierungswerte.
Tempowörter
Moderne TänzeModerne Tänze
Die folgenden Tänze werden i.A. mit folgenden Tempi gespielt:
Tanz | Metronom |
Rhythm & Blues | 60–90 |
Bolero | 80 |
Rap | 80–100 |
Foxtrott | 80–120 |
Hip Hop | 80–120 |
Reggae | 80–120 |
Polka | 80–160 |
Tango Traditional | 80–160 |
Langsamer Walzer | 84–90 |
Samba | 96–104 |
Calypso | 104 |
Rumba | 100-108 |
Rock | 100–140 |
Argentinischer Tango | 108 |
Paso doble | 120–124 |
Cha-cha | 120–128 |
Deutscher Tango | 132 |
Jive | 168–184 |
Twist | 170 |
Wiener Walzer | 174–180 |
Salsa | 180–300 |
Dixieland | 200 |
Quickstep | 200-240 |
Charleston | 200–290 |
Tempowörter
JazzTempowörter beim Jazz
Beim Jazz werden häufig folgende Tempobezeichnungen verwendet:
Tempo | Metronom |
slow | 48-60 |
medium slow | 60–90 |
medium | 90–140 |
medium fast | 140–180 |
fast | 180–240 |
up-tempo | 240–340 |
Literatur
- Jackson, Roland: Performance Practice: A Dictionary-Guide for Musicians. Routledge 2013 (ISBN 9781136767708)
- Rubin, Emanuel: „New Light on Late Eighteenth-Century Tempo: William Crotch's Pendulum Markings.“ In: Performance Practice Review 2:1 (1989), 34–57